Tipps vom Schreibprofi

Tipps vom Schreibprofi «Schreibe, was in dir vorgeht»

Was macht einen guten Brief aus?

Gute Briefe sind wie gute Gespräche. Stelle dir deine Zeilen als Sätze in einer Unterhaltung vor. Wie reagiert deine Freundin oder dein Freund auf diesen Satz? Öffnen sie sich und lesen gern weiter? Dann passt der Satz in deinen Brief.

Was ist ein guter Einstieg?

Sich für etwas Konkretes zu bedanken, ist ein schöner, wertschätzender Einstieg. Und zum Schluss passt etwas, dass den Dialog am Leben hält: «Kommt ihr uns im Herbst mal besuchen?»

Wie gelingt ein nicht alltäglicher Geburtstagsgruss?

Vielleicht schreibst du dem Geburtstagskind, was du gerne mit ihm unternehmen würdest.

Wie sieht eine authentische Glückwunschkarte zur Geburt aus?

Wer selbst Kinder hat, kann zum Beispiel davon erzählen, wie es war, als sie zur Welt kamen. Ein Angebot zum Babysitten ist auch immer willkommen.

Und wie könnte ich einer Freundin zum beruflichen Erfolg gratulieren?

Du hast miterlebt, wie sich deine Freundin weitergebildet hat, Prüfungen ablegen musste, jahrelang einen schwierigen Chef zu ertragen hatte? Schreibe ihr, wie du mitgefiebert hast und ihr die verdiente Anerkennung gönnst. 

Die eigenen Gefühle zu beschreiben, fällt nicht leicht. Was ist der Trick dabei?

Am wichtigsten ist in all diesen Fällen: darauf achten, was in dir vorgehen würde, wenn du diese Nachricht erhalten würdest. Welche Gedanken, Gefühle, Erinnerungen hat das Ereignis bei dir ausgelöst? Das ist das Rohmaterial für authentische, lesenswerte Briefe und Karten.

Wie lassen sich Floskeln vermeiden?

Floskeln sind das, was dir ohne Nachzudenken in den Sinn kommt, weil du es schon tausendfach gelesen hast. Erzähle stattdessen, was bei dir passiert ist. Dass du bei der Restrukturierung fast deinen Job verloren hättest, dass deiner Tochter die ersten Milchzähne ausfallen oder dass du bald in die neue Wohnung ziehst. Suche nach den Details, Anekdoten und Geschichten, die du erzählen würdest, wenn es ein Gespräch wäre.

Das kostet Zeit. Warum lohnt sich der Aufwand?

Denk mal zurück an den letzten richtigen Brief, den du bekommen hast. Spürst du noch die Freude über das handgeschriebene Couvert in deinem Briefkasten? Deine Freundin hat sich hingesetzt, den Alltagstrubel ausgeblendet und sich für dich Zeit genommen. Das beweist die Karte in deinen Händen. Briefe sind geschenkte Zeit. Es gibt nichts Wertvolleres.

Matthias Wiemeyer ist Mitinhaber der Schreibszene, der kleinen feinen Schweizer Schreibschule, und Dozent für viele grosse und kleine Schweizer Unternehmen.